Coopzeitung Weekend

The Sound of Movies

Stell dir «Star Wars» oder «Der weisse ­Hai» ohne Musik vor. Absurd? Eben! Welch wichtige Rolle Musik in unseren ­Lieblingsfilmen spielt und was sie mit den eigenen Emotionen anstellt.

Wenn wir Musik hören, bleibt fast kein Teil des Gehirns unbeteiligt. Das heisst, Musik weckt starke Emotionen. Kein Wunder, dass sie in Filmen eine wichtige ­Rolle spielt. Bereits die erste öffentliche Filmvorführung 1894 wurde von einem Pianisten begleitet. Obwohl die Musik anfangs vor allem die Geräusche des Filmprojektors übertönen sollte. Doch bald etablierte sich die Klaviermusik als Stilmittel des Stummfilms. Mit der Erfindung des Tonfilms in den 1920er-Jahren begann man schliesslich, Musik eigens für Filme zu komponieren. Im Studio aufgenommen und von der Schallplatte abgespielt, liess sie sich nun präziser auf die Szenen abstimmen. Denn man hatte erkannt, dass der Einsatz der richtigen Musik im richtigen Moment nicht nur Emotionen weckt, sondern auch die Handlung des Films unterstützen kann. Ob eigens für den Film komponiert (engl. Score) oder aus bestehenden Songs zusammengesetzt: Wird Musik gut eingesetzt, erweckt sie die Bilder erst richtig zum Leben. Damit das klappt, braucht es aber die passende Technik.

Leitmotiv

Diese Technik kommt eigentlich aus der Oper und wurde vor allem von Richard Wagner gerne verwendet. Dabei ist einer Person oder einer Situation ein bestimmtes musikalisches Motiv zugeordnet, das immer wieder auftritt. Im Film eignet sich das besonders gut, weil so durch die Musik Zusammenhänge geschaffen werden können. Vielleicht auch deswegen wird das Leitmotiv gerne in Mehrteilern verwendet – etwa in der «Herr der Ringe»-Trilogie oder den «Harry Potter»-Filmen. Die «Mutter» des Leitmotivs hat jedoch der Komponist John Williams mit seiner Musik zu «Der Weisse Hai» (1975) geschaffen. Es brauchte nicht mehr als ein paar Kontra­bässe und zwei Noten, um die perfekte Spannung aufzubauen. Denn auch wenn der Hai nicht zu sehen ist, weiss man dank des Leitmotivs genau: Unheil naht. Ein Leitmotiv kann dabei immer gleich bleiben, wie bei der ikonischen ­Tonfolge, die Indiana Jones in den Filmen zugeordnet ist. Sobald sie erklingt, weiss man: Alles wird gut, Jones hats im Griff. Ein Leitmotiv kann sich aber auch im Laufe des Films oder innerhalb einer Reihe entwickeln. So wird in den Star-Wars-Filmen das Leitmotiv des jungen Anakin Skywalkers abgewandelt, bis es zum ikonischen «Imperial March» wird – dem Leitmotiv von Darth Vader.

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Mood-Technik

Der Duschvorhang geht auf, der Mörder hebt das Messer, schrille Geigentöne zerschneiden die Stille. Die Dusch­szene in Alfred Hitchcocks «Psycho» (1960) ist nicht nur ein Paradebeispiel für die Mood-Technik, sie hätte auch fast nicht stattgefunden. Hitchcock hatte in dieser Szene nämlich gar keine Musik eingeplant – unvorstellbar! Denn erst durch die beissenden Klänge wird die schaurige Stimmung spürbar. Im Gegensatz zum Underscoring zeichnet die Musik bei der Mood-Technik nicht jedes Detail synchron nach, sondern die Grundstimmung oder die Gefühlslage der Protagonisten wird unterstrichen. Ihren Ursprung hat die Technik in der Affektenlehre, die besagt, dass Affekte wie Trauer oder Schmerz sich durch Musik ausdrücken lassen. Dabei werden Instrumenten positive oder negative Eigenschaften zugeordnet. Das Klavier steht etwa für Romantik, Kontrabässe für Bedrohung. Ein Meister dieser Technik ist der Komponist Hans ­Zimmer. Das beweisen unter anderem seine preisgekrönten Soundtracks zu «Inception» (2010), «Gladiator» (2000) oder «­Interstellar» (2014).

Underscoring

Die deskriptive Technik, auch «Underscoring» genannt, stammt aus den Anfängen des Hollywoodkinos, wird jedoch auch heute noch oft verwendet – etwa in James-Bond-­Filmen. Dabei wird das, was auf der Bildebene passiert, von der ­Musik möglichst synchron verdeutlicht und unterstrichen. Zudem werden sprachliche Äusserungen durch den Sound ­emotional verstärkt. Dabei greift man gerne auf ­Klischees zurück, um zum Beispiel Bezüge zu Orten herzustellen – Akkordeon-­Musik für Paris und Dudelsack-Klänge für Schottland. ­Zudem gehören zum Underscoring verschiedene Musikstücke, die mit bestimmten Situationen assoziiert werden, zum Beispiel Hochzeitsmärsche. Die extreme Form dieser Technik ist das «Mickey-Mousing». Dabei ­werden die Vorkommnisse im Film akustisch fast «wörtlich» vertont. Töne werden beispielsweise mit Bewegungen ­verbunden: Etwas fällt zu Boden und gleichzeitig geht die Tonleiter ­runter. ­Diese Technik kommt, wie es der Name ­erahnen lässt, ursprünglich aus dem ­Zeichentrickfilm. Deshalb kippt sie schnell ins Komische und wird auch nur noch selten oder bewusst überspitzt ­verwendet. 

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Pop- und Rocksongs

Rotorengeräusche, die Einstellung zeigt den Dschungel. Ein Helikopter fliegt durchs Bild. Dann setzt die Musik ein. Napalm-Rauch steigt auf. Und als Jim Morrison die Zeile «This is the end» singt, geht der Dschungel in Flammen auf. Die Anfangsszene von «Apocalypse Now» (1979) zeigt, dass sich ein Song, hier «The End» von The Doors, perfekt in die Dramaturgie eines Films einfügen und diese verstärken kann. Das Resultat? In diesem Fall Fassungslosigkeit und Endzeitstimmung. Und das, obwohl es den Song schon vor dem Film gab. Natürlich gibt es auch ikonische Lieder, die für einen Film komponiert – oder umgeschrieben – wurden, wie «Mrs. Robinson» von Simon & Garfunkel für «Die Reifeprüfung» (1967). Doch ob Originalscore oder nicht: Wenn du beim Hören eines Songs an eine Filmszene denkst, wurde er richtig eingesetzt. Wie Chuck Berrys «You Never Can Tell», bei dem fast jeder an «Pulp Fiction» (1994) denkt. Und was kommt dir in den Sinn, wenn du «I Got You Babe» von Sonny & Cher hörst? «Und täglich grüsst das Murmeltier» (1993), oder? Bill Murray wacht jeden Tag zu diesem Song auf. Weil man das Lied irgendwann nicht mehr hören kann, erfährt man am eigenen Leib, wie mühsam es ist, denselben Tag immer wieder zu durchleben. Wo Pop-Rock-Songs im Film besonders zur Geltung kommen, ist am Ende. Wie cool ist etwa die Schlussszene von ­«Matrix» (1999), als Keanu Reeves zu Rage Against The Machines «Wake Up» die Sonnenbrille aufsetzt? Oder was wäre das Ende von «Fight Club» (1999) ohne «Where Is My Mind» von den Pixies? Nur ­bewegte Bilder.

Let’s go fishing: Blu-ray «Der weisse Hai» (DE, EN), Fr. 19.95, bei microspot.ch.
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Unsere Top 5 Titelsongs

1 Streets of Philadelphia – Bruce Springsteen 
 Philadelphia (1993)

2 Falling Slowly – Glen Hansard & Markéta Irglová 
 Once (2006)

3 Goldfinger – Shirley Bassey 
 Goldfinger (1964)

4 Hard Sun – Eddie Vedder 
 Into The Wild (2007)

5 Lose Yourself – Eminem 
 8 Mile (2002)

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Mit Coopzeitung und 20 Minuten spannen die beiden grössten Zeitungen in der Schweiz zusammen, um ein neues, trendiges Magazin kurz vor dem Wochenende zu lancieren. Ab sofort erscheint «Coopzeitung Weekend» jeden Freitag dreisprachig im Print und Online von 20 Minuten.