(Pexels: Ylanite Koppens)
Coopzeitung Weekend

Alles nur geklau(s)t

Wird der Nikolaus durch die Globalisierung von Santa Claus verdrängt? Ein Blick über die Sprach- und Landesgrenzen zeigt: Die zwei Bärtigen sind eigentlich ein und derselbe.

Wenn es wieder Zeit wird für den alten Mann mit dem weissen Rauschebart, geraten heute viele Eltern in Erklärungsnot. Wenn der Samichlaus am 6. ­Dezember feine Säckli mit Mandarinen, Erdnüssen, Lebkuchen und Schöggeli verteilt, wer ist dann sein wohlbeleibtes Double, das in den amerikanischen Filmen zu Weihnachten die Geschenke verteilt? Und bekommt der dann nicht Probleme mit dem Christkind? Da kommt selbst manch Erwachsener durcheinander. Doch ob Nikolaus, Väterchen Frost oder Santa Claus, alle gehen auf denselben Mann zurück: Nikolaus von Myra (heutige Türkei). Um den Bischof, der im 3. und 4. Jahrhundert nach Christus lebte, ranken sich zahlreiche Legenden. Die bekannteste geht so: Eine ­Familie war so arm, dass alle drei Töchter als Prostituierte arbeiten mussten, um über die Runden zu kommen. Eines Nachts warf der Bischof drei Goldklumpen durch das Fenster des Hauses, damit die jungen Frauen damit aufhören konnten. Historisch belegt ist, dass er sein ganzes Vermögen den Armen gab. Der Heilige Nikolaus wird heute in allen christlichen Ländern verehrt.

Deutschschweiz

Ertönt an Deutschschweizer Türen am 6. Dezember seine Glocke, dann bekommt so mancher Lausbub und so manches vorwitzige ­Mädchen weiche Knie. Denn nur wer das Jahr hindurch brav war, ­bekommt ein Säckli vom Samichlaus. Dieser Mann mit dem Esel und dem weissen Bart trägt in katholischen Regionen eine ­Bischofsmütze, während er in den reformierten Gemeinden eher casual mit ­roter Zipfelmütze unterwegs ist. Die unartigen Kids aber fürchten seine Rute und den unheimlichen, dunkel gekleideten Gefährten mit dem ungewaschenen Gesicht, den Schmutzli. Von ihm in den Sack ­gesteckt zu werden, ist so ziemlich das Schlimmste, das sich ein Kind ­vorstellen kann. Und das Fiese an der Sache: Ob Samichlaus oder Santi­glaus, ob aus dem Schwarzwald oder einfach dem nächsten Wäldchen – der Mann weiss alles. Da ist vom gnädigen Christkind, das die Weihnachtsgeschenke bringt, viel weniger zu befürchten.

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Romandie

Das Christkind hats nicht über den Röschtigraben geschafft. In der Westschweiz verteilt genauso wie in den lateinischsprachigen Ländern Europas der Weihnachtsmann die Geschenke: «Père Noël», der dann aussieht wie der angelsächsische Santa Claus. Was aber gleich ist wie in der Deutschschweiz: Schon am 6. Dezember ist der Heilige Nikolaus unterwegs – vorwiegend im weissen Gewand mit Bischofsmütze. ­Einen besonders grossen Stellenwert hat Saint Nicolas in Fribourg, denn dort ist er Schutzheiliger ­sowohl der Stadt als auch des Kantons.

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Tessin

In der Südschweiz haben sie es gut: Da kommt der ­Nikolaus einfach zweimal. Wie in Italien bringt «San Nicola» am 6. Dezember zum ersten Mal Geschenke. In der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember beglückt dann «Babbo Natale» die Kinder erneut mit Geschenken. Und damit nicht genug: Am 6. Januar, dem Dreikönigstag, kommt dann auch noch die gute Hexe «Befana» durch die Schornsteine und füllt den artigen Kindern die aufgehängten Strümpfe mit Geschenken, während die unartigen nur Kohlestücke erhalten. Aber das ist dann wieder eine andere Geschichte.

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Türkei

Wie schon erwähnt: St. Nikolaus war ein ­Türke. Denn Myra, die Stadt, in welcher der Heilige als ­Bischof amtete, heisst heute Demre und liegt in der türkischen Region Lykien. Doch der ­Mythos des Nikolaus könnte auch eine Verschmelzung von zwei gleichnamigen Wohltätern sein: dem ­Heiligen ­Nikolaus von Myra und Nikolaus von Sion (ein Kloster in der Nähe von Myra, nicht die Stadt im Wallis), der im 6. Jahrhundert als Bischof von Pinara amtete. Heute liebevoll «Noel Baba» genannt, bringt er seine Geschenke nicht zu Weihnachten, sondern an Silvester. Entsprechend heisst die Tanne, unter die er die ­Gaben legt, nicht Weihnachts- oder Christ-, sondern Neujahrsbaum.

Holland

Wer hats erfunden? Nein, bei Santa Claus wars nicht die Schweiz, sondern Holland. Die Tradition des «Sinterklaas» geht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Am 5. Dezember verteilte der in ein Bischofgsgewand gekleidete Sinterklaas Geschenke an die ­Armen. Sein Gegenspieler war der «Zwarte Piet», der sich später zu seinem treuen, schweigsamen Helfer wandelte. Dieser ist im deutschen Sprachraum als Schmutzli, Knecht Ruprecht oder Krampus bekannt. ­Holländische Kolonialisten trugen ihre Tradition dann nach Amerika, wo mit der Zeit aus dem Sinterklaas ­«Santa Claus» wurde. Der Heilige Nikolaus war auch der Schutzpatron von ­Nieuw Amsterdam, dem heutigen New York.

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Russland

«Ded Moroz» sieht in seinem schicken blau-weissen Mantel aus wie der Weihnachtsmann nach einem Umstyling. Doch in Russland galt der Mann mit dem weissen Bart ­ursprünglich nicht als weihnachtlicher Sponsor, sondern als die Verkörperung des Winters. Mit der Spitze seines Zepters kann er alles zu Eis erstarren lassen. Väterchen Frost, so die deutsche Übersetzung, wird von dem kleinen Mädchen Snegurotschka (russisch für «Schneeflöckchen») begleitet, je nach Quelle seine Tochter oder Enkelin. Erst seit das Weihnachtsfest in Russland wieder erlaubt ist, wird er als Weihnachtsmann verehrt.

Amerika & Co.

In den angelsächsischen Ländern kann man die bärtigen Männer nicht verwechseln. Dort gibt es nur the one and only Santa Claus. Ob in den USA, Kanada, Grossbritannien, Irland, Australien oder Neuseeland – die Kinder gehen am 24. Dezember voller Vorfreude ins Bett, denn sie wissen: In der Nacht fliegt der liebe Santa in seinem von zehn Rentieren gezogenen Schlitten vorbei und bringt die Weihnachtsgeschenke. Damit er seine rundliche Figur nicht verliert, stellen sie ihm Milch und Cookies vor den Kamin, durch den er sich erfolgreich gequetscht hat. Schliesslich muss der gute Mann in einer einzigen Nacht die ganze Welt beglücken. Die restlichen 364 Tage verbringt Santa mit Frau Claus und den Weihnachts­elfen am Nordpol. Dank Filmindustrie und Globalisierung gewinnt Santa Claus auch in anderen Ländern zunehmend an Popularität. Auch wenn er aus ­Europa importiert wurde (vgl. «Holland») und somit ebenfalls auf den St. ­Nikolaus zurückgeht, gibt es ihn nur mit rot-weisser Jacke und schwarzem Gürtel anstatt des langen Mantels. Dieser populäre Look ist hauptsächlich Coca Cola zu verdanken. Zwar trat Santa Claus auch schon im 19. Jahrhundert im ­roten Gewand auf, aber 1931 entwarf ein Cartoonist den heute allgegenwärtigen Santa bewusst in den Farben des Limonadenherstellers.

Coopzeitung Weekend

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