Die Redewendung «Das ist grosses Kino» kommt nicht von ungefähr. Wenn wir uns einen Film anschauen, dann wollen wir staunen, lachen, weinen – und alles in XXL: grosse Geschichten, grosse Action und grosse Gefühle. Ein Thema, das alle Genres miteinander zu verbinden vermag, ist das Thema der Menschheit: die Liebe. Und was drückt die Liebe besser aus als der langersehnte Kuss zweier Figuren?
Entscheidend für die Wirkung des Kusses ist das richtige Timing. Der perfekte Filmkuss mit dem «Eeeeendlich»-Effekt will wohlverdient sein. Dafür müssen die Hauptfiguren erst unten durch, emotional oder körperlich. Erfolgt der Kuss zu früh wie in Titanic, dann wissen wir: Oh-oh, jetzt wirds nur noch schlechter. Erst wenn Harry und Sally Jahre der platonischen Freundschaft überstanden, Han Solo lebensgefährliche Abenteuer überlebt und Bridget Jones ihre Vorbehalte abgelegt haben, kommen sie in den Genuss des Happy Ends, das der Kuss schliesslich darstellt.
Nur jene cineastischen Schmatzer mit einer vollendeten Dramaturgie bleiben in unserer Erinnerung haften. Wir präsentieren euch eine Auswahl der berühmtesten Küsse der Filmgeschichte.
Starten wir chronologisch korrekt mit dem ersten Kuss. Keine Angst, jetzt kommt nicht irgendein verwackelter Stummfilm von 1895. Nein, gemeint ist die Unschuld des kindlichen Kusses, beispielhaft dargestellt von Anna Chlumsky und Macaulay Culkin in «My Girl» (1991). Dieses Gefühl, seinem Schwarm so nahe zu sein, wie man sich das unzählige Male ausgemalt, aber kaum zu hoffen gewagt hat … Das brennt sich für immer ins Gedächtnis ein.
Um einem Kuss den nötigen Ernst zu verleihen, braucht es einen dramatischen Rahmen: Vorhang auf für das berühmteste Schiffsunglück der Geschichte! Für den romantischen Teil der «Titanic»-Fans findet der Höhepunkt schon in der ersten Hälfte des epischen Katastrophenfilms von 1996 statt: Leonardo DiCaprio umfasst Kate Winslets Taille und küsst sie im letzten Tageslicht auf dem Deck – zur Melodie von «My Heart Will Go On». Schmelz.
Heute kann man sich schon gar nicht mehr vorstellen, was ein einziger Kuss für eine Überwindung für eine ganze Branche dargestellt hat. Tatsächlich trieb der Kuss von Jake Gyllenhaal und Heath Ledger als homosexuelle Cowboys in «Brokeback Mountain» (2005) so manch alteingesessenem Studioboss die Schamesröte ins Gesicht. Das war in der A-Riege des prüden Hollywoods lange undenkbar gewesen. Die drei Oscars für Ang Lees Film unterstrichen, dass es die «Traumfabrik» mit ihrer sanften sexuellen Öffnung auch wirklich ernst meint.
Obwohl sich die Mehrzahl der Menschen vor Spinnen ekelt, erfreut sich ein Spinnen-Mutant grösster Beliebtheit. Es gibt bald mehr Spider-Man- als James-Bond-Darsteller. Zumindest der erste von ihnen bleibt in Erinnerung – dank eines Kusses: Kirsten Dunst schiebt dem kopfüber hängenden Tobey Maguire im strömenden Regen vorsichtig die Superhelden-Maske bis zur Nase hoch und drückt ihre Lippen auf seine. Mehr Romantik als im Film von 2002 geht im Marvel-Universum nicht.
Es gibt Lippenberührungen, die weitreichende Folgen für das Schicksal der Protagonisten haben – und einer ganzen Filmreihe. Wie der Kuss von Lea Thompson und Crispin Glover in «Zurück in die Zukunft» (1985). Hä, wer? Ja, die grosse Nummer war zwar Michael J. Fox, aber ohne den Kuss seiner (künftigen) Film-Eltern auf deren Abschlussball im Jahr 1955 hätte es seine Figur Marty McFly gar nie gegeben. Und ebenso wenig einen zweiten und dritten Teil.
Zeitreisen gab es in «Casablanca» (1942) noch nicht. Dafür aber die grossen Gefühle. «Küss mich, als wäre es das letzte Mal.» Beachtlich für diese unmissverständliche Aufforderung ist, dass sie von der Frau stammt. Ingrid Bergman sagt den Satz nämlich zum coolen Humphrey Bogart. Allerdings ist die Emanzipation noch nicht so weit, dass sie die Hosen anbehalten darf. Kurze Zeit später steigt sie zwar ohne «Bogie» ins Flugzeug – aber nur, weil er nicht will.
Unkomplizierter gehts im Reich der Tiere zu und her. Strassenköter Strolch hört in «Susi und Strolch» (1955) einfach auf seinen Instinkt. Und dieser führt ihn beim romantischen Spaghetti-Plausch im Hinterhof zur gleichen Nudel wie die süsse Spaniel-Dame Susi: Der erste Kuss mit der aufgrund des sozialen Status eigentlich unerreichbaren Angebeten. Die tierische Romanze des wortwörtlichen Underdogs, der das Herz einer edlen Dame erobert, wurde so erfolgreich, weil sie so viele menschliche Züge trägt.
Tja, irgendwann ist Schluss mit Küssen, auch wenn die Liebe noch so gross ist. Das musste auch Molly (Demi Moore) auf zu Tränen rührende Weise erfahren. In «Ghost» (1990) darf sie nach einem emotionalen Auf und Ab endlich ihren schmerzlich vermissten, in der Zwischenwelt gefangenen Sam (Patrick Swayze) ein letztes Mal küssen. Eine zärtliche Lippenberührung, dann findet der Geist von Sam endlich seine Ruhe. Seufz. The End.
Wie weit die leidenschaftlichen Folgen eines Kusses reichen können, war nicht einmal einem der berühmtesten Bösewichte der Filmgeschichte bewusst. Sonst hätte es sich Anakin Skywalker (Hayden Christensen) vielleicht verkniffen, mit Prinzessin Padme (Natalie Portman) in «Star Wars: Episode II» (2002) in die Kiste zu springen. Denn einige Jährchen später sorgte die Frucht seiner eigenen Lenden, namentlich Luke Skywalker (Mark Hamill), für den Untergang von Anakin aka Darth Vader.