Coopzeitung Weekend

Feminist Fashion

Feminismus und Mode – passt das wirklich zusammen? Die ­Antwort ist kompliziert.

Die Beziehung zwischen Mode und Feminismus ist keine einfache. Denn einerseits ist Mode eines von ­vielen Mitteln, mit dem Frauen über Jahrhunderte ­unterdrückt wurden – oder das diese Unterdrückung zumindest sichtbar machte. Andererseits bot sie auch die Gelegenheit zur Rebellion. Denn die Auflehnung gegen vorherrschende Kleidervorschriften und -konventionen ist eine Form des Protests.

Die Finger von dieser Form des Protests liessen die Suffragetten. So nennt man die Frauenrechtlerinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA und Grossbritannien vor allem für das Wahlrecht kämpften. Sie waren überzeugt: Wenn sie sich klassisch weiblich ­zeigten und kleideten, erhielten sie mehr Aufmerksamkeit für ihre ­Anliegen. Selbst bei Protesten waren sie deshalb chic angezogen – mit hochgeschlossenen Blusen unter spitzenbesetzten Kleidern, grossen Hüten und Korsetten. Doch auch ihre Mode hatte eine Botschaft, die sie über ihre drei Farben vermittelten: Lila – nicht ganz zufällig auch die Farbe der Frauen­streiks hierzulande – stand für ­Loyalität und Würde, Grün für Hoffnung und Weiss für Reinheit. Weil es plötzlich als chic galt, Suffragette zu sein, gab es schon bald überall Accessoires in diesen Farben zu kaufen. Feminismus wurde zum Modetrend.

Dann kam der Erste Weltkrieg. Die Männer mussten an die Front und die Frauen übernahmen ihre ­Arbeitsplätze. Da zeigte sich schnell, wie hinderlich Korsette und Co. sind. So wurde das Tragen praktischer Kleidung wie locker geschnittene Kleider oder gar Hosen für Frauen üblich. Und da man nach dem Krieg erst einmal feiern wollte, blieb auch nach Kriegsende die Mode relativ androgyn.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das anders: Die Menschen sehnten sich nach Normalität, nach den «guten alten Zeiten» – samt klassischer Rollenverteilung. Die Frauen wurden wieder in den Haushalt gedrängt. Der dazugehörige Look? ­Feminin, aufwendig zurechtgemacht, züchtige Kleider, die an der Taille eng anlagen. Sogar ins Korsett zwängten sich einige Damen wieder rein. Die Feministinnen der 70er-­Jahre jedoch wollten aus dieser Welt ausbrechen, nicht mehr dekorativ aussehen und den Haushalt schmeissen. So kehrte die Hose wieder zurück in die Kleiderschränke der ­Frauen. Wenn du also das nächste Mal darüber klagst, wie unbequem deine Hose ist, denk daran: Für viele Frauen bedeutete sie einst ein Stück ­Freiheit.

Lippenstift

Im antiken Griechenland trugen nur ganz bestimmte Frauen Lippenstift: Prostituierte. Damit sollten sie von den «anständigen» Damen unterschieden werden können. Und auch später noch galt Lippenstift als anrüchig, war teilweise gar verboten. In manchen Kulturen ist er es noch heute. Kein Wunder also wurde Lippenstift zu einem Mittel der Rebellion. Schon die Suffragetten trugen ihn bei ihren Protesten. Richtig beliebt wurde er in der dritten Welle des Feminismus. Die Feministinnen der 90er stellten sich auf die Position, dass Frauen auch feministisch sein können, ohne ihre Weiblichkeit oder ihre Sexualität zu negieren. Das sahen viele Anhängerinnen der zweiten Welle des Feminismus in den 60ern und 70ern noch ganz anders.

Kriegsbemalung: MAC Powder Kiss, «Werk, Werk, Werk», Fr. 30.–, bei Import Parfumerie.
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Minirock

Als die Britin Mary Quant in den 1960er-­Jahren den Minirock entwarf, war das wie ein Befreiungsschlag. Denn die langen Kleider, die man bis dahin trug, waren oft unpraktisch und schränkten ihre Trägerinnen ein. Vor ­allem aber galt es in den 60ern auch, sich ­gegen konservative Werte aufzulehnen und die eigene Sexualität auszuleben. So wurde das kurze Stück Stoff schnell Kult und hatte prominente Anhängerinnen wie das Model Twiggy. Dann kamen die 70er-Jahre und damit auch ein Feminismus, der im Minirock die Degradierung der Frau zum Sexualobjekt sah. So verschwand er von der Bildfläche, tauchte zwischendurch aber immer wieder auf. Auch jetzt gerade sind Minis wieder in – ob das ein Fort- oder Rückschritt ist, daran scheiden sich die Geister. Das zeigt sich zum Beispiel an der ­Berichterstattung über den ultrakurzen Jupe, der Anfang dieses Jahres bei Miu Miu auf dem Laufsteg zu bewundern war.

Bikini

Als der Ingenieur Louis Réard in den 1940er-Jahren den ersten zweiteiligen Badeanzug kreierte, weigerten sich Models, das skandalöse Kleidungsstück zu präsentieren. So musste er mit einer Stripperin vorliebnehmen. Die Empörung über den ­Bikini kam nicht von ungefähr: Am Anfang des 20. Jahrhunderts trugen Frauen noch Wollstrümpfe und Schuhe zum Baden. Später wurde mancherorts nachgemessen, ob der Abstand zwischen Badeanzug und Knie nicht zu gross war. Auch der Bikini blieb an den meisten Orten erst mal verboten. Doch dann wurde er zum Symbol der sexuellen Befreiung in den 60er-Jahren. Spätestens seit Ursula Andress in «007 jagt Dr. No» im weissen Bikini aus dem Wasser stieg, ist der Zweiteiler aus dem Mainstream nicht mehr weg­zudenken.

Zweiteiler:  Bikini von Nulu (Neckholder Fr. 29.95, Hose Fr. 24.95) bei Coop City.
Zweiteiler: Bikini von Nulu (Neckholder Fr. 29.95, Hose Fr. 24.95) bei Coop City.

BH

Kennst du das befreiende Gefühl, wenn du am Abend deinen BH ausziehst? Einst war es der BH selbst, der sich so befreiend anfühlte. Denn bis zu seiner Erfindung waren Korsette die Norm. Und die wurden oft so eng geschnürt, dass das Frauen nicht nur in der Bewegung einschränkte, sondern auch das Atmen erschwerte, Schmerzen verursachte oder gar Organe beschädigte. Die Materialknappheit im Ersten Weltkrieg verhalf dem BH endgültig zum Durchbruch. Und als nach dem Krieg androgynere Kleidung angesagt war, nutzten viele Frauen den BH, um ihre Brust flach zu drücken. Schliesslich wollte man den Körper nicht mehr für Männer zur Schau stellen. Mit dem Aufkommen von Wonderbra und Co. stand beim BH später aber wieder feminines Aussehen im Zentrum. Kein Wunder landete er bei den Feministinnen der 60er- und 70er- Jahre gerne aus Protest im ­Feuer.

An oder ab? BH wattiert von Nulu, Fr. 29.95, bei Coop City.
An oder ab? BH wattiert von Nulu, Fr. 29.95, bei Coop City.

Plateau-Schuhe

In hohen Hacken durch den Alltag? Das ist alles andere als praktisch. Deshalb begannen Feministinnen in den 70ern damit, Loafers zu tragen – den Männerschuh der Stunde. Die Halbschuhe sind nicht nur bequem und praktisch, sie ­passen auch in die Businesswelt, in welche die Frauen damals vordringen wollten. Und noch ein zweiter Schuhtrend scheint immer dann aufzu­tauchen, wenn Frauen wieder für ihre Rechte einstehen: Plateau-Schuhe. Auf dicken Sohlen ist man gross und fällt auf. Gleichzeitig wirken sie stark. Wie könnte man also mehr mit der ­Rolle brechen, die Frauen gerne zugewiesen wird: still, unauffällig, unterwürfig, zierlich. Die Loafers mit dicken Sohlen, die man zurzeit bei Gucci und Co. sieht, haben wir also auch dem ­Feminismus zu verdanken.

Hosenanzug

Aus heutiger Sicht ist der Anblick von Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich in einem Hosenanzug nichts Exotisches. Aber als sie das Tragen von «Männerkleidung» in den 30er-Jahren zu ihrem Markenzeichen machte, war das alles andere als selbstverständlich. Nur ein paar Jahrzehnte früher wäre sie für diesen androgynen Stil eingesperrt worden. Indem wir die in der Taille sitzende Hosen mit weiten Beinen noch heute als «Marlenehosen» bezeichnen, erweisen wir ihr immerhin ein bisschen Ehre für diesen Bruch mit den Konventionen. Und auch das Tragen von Blazern war einst ein feministischer Akt der ­Rebellion. Frauen, die für professionelle Gleichheit kämpften, zogen sich dieses Symbol männ­licher Macht über, um in deren Welt ernst­genommen zu werden. Noch heute dürfen ­Jacketts gerne oversized sein, als hätte ihn sich frau nur von ihrem Partner geliehen.

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