Coopzeitung Weekend

Es war einmal ...

Frösche verwandeln sich in Adlige, Tische werden von selbst zu ­All-you-can-eat-Buffets und Hexen klettern an Haaren hinauf. In Märchen ist das alles ganz normal. Woher sie kommen und was ein Märchen ausmacht, erfährst du hier.

Heute sind Märchen beliebte Kindergeschichten. Das war aber nicht immer so. Bis ins 18. Jahrhundert waren Märchen mündlich überlieferte Erzählungen vorwiegend für Erwachsene. Mord und Totschlag waren an der ­Tagesordnung. Erst durch die Gebrüder Grimm wurden die deutschsprachigen Märchen kinderfreundlicher und verschriftlicht. Jacob und Wilhelm Grimm begannen 1806, mündliche Volksgeschichten zu sammeln. Bei der Niederschrift strichen sie brutale und erotische ­Inhalte. Ihre Sammlung heisst «Kinder- und Hausmärchen» und enthält stolze 200 Märchen, darunter Klassiker wie «Schneewittchen» oder «Rapunzel». Seit 2005 zählt sie zum Unesco-Weltdokumentenerbe.

Was genau versteht man nun aber unter einem Märchen? Gemeint sind frei erfundene, fantasievolle Geschichten, die weder an eine bestimmte Zeit, noch an einen spezifischen Ort gebunden sind. Magische Elemente und ­sprechende Tiere gehören zur Realität und werden nicht hinterfragt. Viele Märchen haben die Aufgabe, eine ­Moral zu vermitteln. Zentral sind dabei die ­Figuren, die eine wichtige Funktion übernehmen. Sie ­repräsentieren ­jeweils eine von zwei Seiten: Gut oder Böse. Eine Grauzone dazwischen gibt es nicht. Die ­Figuren sind deshalb sehr stereotypisch und wieder­holen sich von Märchen zu Märchen immer wieder. Wir stellen dir die ­klassischen Charaktere vor.

Märchenstunde:
Sessel Pedro Samt,
669 Franken, bei Livique.
Märchenstunde: Sessel Pedro Samt, 669 Franken, bei Livique.

Prinz

Der Prinz ist die männliche Hauptfigur vieler Märchen. Er ist der gute Held und rettet häufig eine Prinzessin in Nöten. Adlige Abstammung ist nicht zwingend, es kann auch einfach ein ­Jüngling aus gutem Hause sein. Wichtig sind seine Tugendhaftigkeit und sein Mut. Er wird vom Vater in die weite Welt geschickt, um sich zu beweisen. Ein derartiger Königssohn befreit beispielsweise Dorn­röschen von ihrem Fluch.

Hexe

Hexen sind weibliche Figuren mit magischen Kräften. Sie sind meistens die Gegenspielerinnen der Protagonistin oder des Protagonisten. Die Wurzeln des europäischen Hexenglaubens liegen im Christentum. Die Hexe steht mit dem Teufel im Bunde und fügt den Menschen mit ihren Zauber­künsten vielerlei Schaden zu. Im Märchen ist die Hexe durch ein abstossendes Aussehen ­gekennzeichnet: alt, bucklig und mit langer Nase. Oft wird sie von Tieren wie etwa Raben, Katzen oder Kröten begleitet.

Knusper, knusper, knäuschen:
Betty Bossi Lebkuchengewürz,
0.95  Franken/ 20 g, bei Coop.
Knusper, knusper, knäuschen: Betty Bossi Lebkuchengewürz, 0.95  Franken/ 20 g, bei Coop.

Prinzessin

Sie ist die weibliche Protagonistin. Ihre Schönheit und ihr zartes Wesen werden im Märchen ­besonders poetisch ausgeschmückt. Klischeehaft ist sie meist passiv und wartet auf ihren Retter, den Prinzen. Es gibt jedoch auch einige Märchen, in denen die Prinzessin die männliche Haupt­figur rettet. Denken wir dabei an «Der Frosch­könig» oder an «Brüderchen und Schwesterchen». 

Märchenheldin:
Playmobil Prinzessin,
3.95 Franken, bei Coop City.
Märchenheldin: Playmobil Prinzessin, 3.95 Franken, bei Coop City.

Stiefmutter

Die Stiefmutter hat grosse Ähnlichkeit mit der Hexe und ist neben ihr eine häufig vertretene böse Figur im Märchen. Aber wieso ist sie eigentlich immer böse? Das ist eine tief verwurzelte Sache. Zu der Zeit, als die meisten Märchen entstanden, gab es noch keine Toleranz für Patchwork-­Familien. Ein zweites Familienglück existierte nicht – besonders für die Frau. Daraus ergab sich, dass die Stiefmutter neben der leiblichen, fürsorglichen Mutter zur «bösen» Rolle wurde.

Riese

Stell dir vor, es gibt nicht nur böse Frauenfiguren im Märchen! Der Riese ist der männliche Gegenspieler der Hauptfigur. Er ist ein menschen­ähnliches, aber im Vergleich zum zivilisierten Helden ungehobeltes Wesen. Seinen Ursprung hat der grosse Unhold in der Mythologie. Etwa in der nordischen existieren Riesen seit Anbeginn der Welt. Sie sind den Menschen und den Göttern feindlich gesinnt und zerstören, was diese sich aufgebaut haben. Im Märchen werden diese Strukturen übernommen.

Tiere

Tauben verraten Lügnerinnen und Frösche bitten darum, geküsst zu werden. Im Märchen ist das völlig normal. Tierfiguren treten als vollwertige ­Charaktere auf und können daher auch sprechen. Häufig werden auch Menschen in Tiere oder ­wieder zurück verwandelt. Eine besondere ­Gruppe bilden zudem die Fabeltiere, wie etwa ­Einhörner oder Drachen. 

Fee

Feen sind weibliche, übernatürliche Wesen. Sie sind das Pendant zur Hexe oder Stiefmutter. Als Helferinnen greifen sie ins Schicksal der anderen Figuren ein. Den Ursprung vermutet die Literatur­forschung in der Mythologie. Die drei Moiren beispielsweise sind in der griechischen Antike die Göttinnen des Schicksals. Im Märchen sind Feen durch ihr schönes Aussehen, die Nähe zur Natur oder ihr mütterliches Auftreten gekennzeichnet, wie etwa Frau Holle.

Zauberhaft:
Djeco Märchen-Puzzle, 
19.95 Franken, bei microspot.ch.
Zauberhaft: Djeco Märchen-Puzzle, 19.95 Franken, bei microspot.ch.

Zwerg

Der Zwerg ist ein ambivalentes Wesen: Er kann ­sowohl gut wie auch böse sein. Hier gibt es also doch eine kleine Grauzone. In Märchen mischen sich die heidnische Ansicht des Zwergs als ­fleissiger Helfer, wie etwa bei Schneewittchen, mit dem mittelalterlich-christlichen Bild des ­«Wechselbalgs». Dieses ist ein Säuglings, der bei der ­Geburt vom Teufel ausgetauscht wurde und daher eine Missbildung hat. Davon abgeleitete Zwerge sind hinterlistig und habgierig, wie etwa das ­Rumpelstilzchen.  

Chill mal!
Dekofigur Zwerg Lying,
129 Franken, bei microspot.ch.
Chill mal! Dekofigur Zwerg Lying, 129 Franken, bei microspot.ch.

Coopzeitung Weekend

Mit Coopzeitung und 20 Minuten spannen die beiden grössten Zeitungen in der Schweiz zusammen, um ein neues, trendiges Magazin kurz vor dem Wochenende zu lancieren. «Coopzeitung Weekend» erscheint jeden Freitag dreisprachig im Print und Online von 20 Minuten.