In der Schweiz geben wir uns drei davon auf die Wangen. Auf diejenigen der ulkigen Tante mit dem streng riechenden Parfum würden wir lieber verzichten. Und die des Schwarms dürfen gerne mit Zunge sein: Küsse sind wortwörtlich in aller Munde – aus Freundschaft, Respekt, Zuneigung oder Lust. Trotzdem können rund zehn Prozent der Weltbevölkerung mit der Knutscherei nichts anfangen. In Japan sind öffentliche Lippenbekenntnisse zum Beispiel verpönt.
Wieso sich jedoch die restlichen 90 Prozent der Menschheit küssen, darüber zerbricht sich die Wissenschaft seit über hundert Jahren den Kopf. Sigmund Freud, der ja gerne zu solchen Themen seine ganz eigenen Thesen formulierte, war etwa davon überzeugt, dass uns das Küssen angeboren ist. Es sei ein Instinkt, der seinen Ursprung im Bedürfnis habe, als Säugling von der Mutter gestillt zu werden. Dieser Ansatz galt aber bald als überholt. 1960, einige Jahre nach Freuds Theorie, äusserte der britische Zoologe Desmond Morris die Vermutung, dass sich das Küssen aus einem Fütterungsritual entwickelte, bei dem Nahrung von der Mutter an das Kind weitergegeben wurde – wie auch bei Vögeln. An dieser These halten heute noch einige Forscher fest. Doch warum hat sich in der Evolution das Küssen gegen das Nicht-Küssen durchgesetzt?
Eine Erklärung liefern neue Ergebnisse von Neurologen und Sexualforschern: Sie sehen Küsse als wichtiges Hilfsmittel bei der Partnerwahl. Bei einem leidenschaftlichen Kuss kommen wir uns nämlich besonders nah – wir riechen, schmecken und spüren die andere Person. Puls und Körpertemperatur steigen an, der Stoffwechsel wird angekurbelt und Glückshormone ausgeschüttet. Zudem werden Geruchs- und Botenstoffe ausgetauscht, die im Speichel, auf der Zunge und der Mundschleimhaut enthalten sind. Diese verraten uns laut Forschern, ob unser Gegenüber als geeigneter Partner infrage kommt. Wir «erküssen» sozusagen die Kompatibilität. Zudem befinden sich viele sensible Nervenenden in Lippen und Zunge, die für Stimulationen sehr empfänglich sind. Ein Zungenkuss schafft also Intimität und macht Lust auf mehr. Warum uns aber die Tante ihre feuchten Küsse auf die Wange drückt, das muss uns die Wissenschaft noch erklären.
Normalerweise ist ein Kuss eine positive Geste – der Liebe, Freundschaft oder Ehrerbietung. Beim Judaskuss ist das anders. Laut biblischer Überlieferung wurde Jesus nämlich durch den Kuss seines Apostels Judas verraten. Weil dieser ihn im Garten von Gethsemane küsste, wussten die hohen Priester, wen sie gefangen nehmen sollten. Was dann passierte? Jesus wurde gekreuzigt.
Ein Mensch verbringt in 70 Lebensjahren im Schnitt mehr als 76 Tage mit Küssen.
Beim Küssen werden Glückshormone wie Serotonin und Endorphine ausgeschüttet. Knutschen hilft also, Stress abzubauen.
Der längste Kuss dauerte 58 Stunden, 35 Minuten und 58 Sekunden.
Rund 4000 Bakterien werden beim Zungenkuss ausgetauscht. Das fördert unsere Abwehr. Zudem sind im Speichel Stoffe enthalten, die Zähne und Zahnfleisch vor Krankheiten schützen.
Nicht nur Menschen küssen sich. Auch bei Schimpansen kommen Küsse als Zeichen der Zuneigung vor, vor allem unter Bonobos, jedoch seltener als bei Menschen.
Zwei Drittel der Menschen weltweit neigen den Kopf beim Küssen nach rechts
Ein Kuss verbraucht etwa 12 Kalorien pro Minute. Ein leidenschaftlicher Zungenkuss sogar bis zu 20 Kalorien. Da du bei einem langen Kuss oft Luft holen musst, trainierst du zusätzlich deine Atmung.
An einem Kuss sind je nach Intensität über 30 Gesichtsmuskeln beteiligt. Kleines Face-Work-out gefällig?
Auch wenn man es nicht denken würde, aber auch in der Kirche sind Küsse weit verbreitet. Mit Vorliebe werden liturgische Gegenstände, Hände oder manchmal auch Füsse geküsst – meist als Zeichen des Gehorsams und der Ehrerbietung. Papst Johannes Paul II. hatte ein weiteres Kuss-Ritual. Er küsste bei der Ankunft in jedem Land, das er besuchte, den Boden – aus Respekt.
Nachdem er am 4. Oktober 1979 zum 30. Jahrestag der DDR seine Rede gehalten hatte, drückte Leonid Breschnew, Staatschef der Sowjetunion, DDR-Chef Erich Honecker einen Schmatzer auf den Mund. Unüblich war das nicht – jedenfalls für Breschnew. Der sozialistische Bruderkuss war unter einigen Kommunisten nämlich ein Zeichen der Freundschaft. Das gefiel nicht allen. So stieg der kubanische Revolutionär Fidel Castro bei seiner Ankunft in Moskau mit Zigarre im Mund aus dem Flugzeug. Keine Chance, Breschnew!
Die Popstars Madonna und Britney Spears beim Zungenkuss – what? 2003 sorgte diese Szene bei den MTV Video Music Awards für viel Aufregung. Klar, Christina Aguilera durfte auch mit Madonna knutschen. Doch wegen ihres provokativen Images überraschte das damals niemanden. So schlug vor allem der Kuss der braven Britney Wellen. Was das Ganze war? Eine richtig gute PR-Masche!