(Pexels: Pixabay)
Coopzeitung Weekend

In der Gerücheküche

Du riechst Sonnencreme und denkst dabei direkt an Ferien, Strand und Meer? Kein Wunder, denn Gerüche wecken Erinnerungen. Warum der Geruchssinn so wichtig ist und wie er mit dem Gedächtnis zusammenhängt.

Die Welt ist das pure Chaos der Gerüche. Egal, ob beim Bäcker oder in Grosis Küche – überall liegen verschiedenste Düfte in der Luft. Sie prägen unser gesamtes Leben, obwohl wir sie meistens gar nicht bewusst wahrnehmen. Der Geruchssinn des Menschen ist seit jeher eng verknüpft mit dem Gedächtnis. Angefangen beim Überlebenskampf vor Tausenden von Jahren: Die Nase war Retterin Nummer eins, wenn es etwa darum ging, ein Feuer oder verdorbenes Essen zu bemerken. Und dein Riecher ist noch weitaus begabter. Laut einer Studie der Rockefeller University in New York von 2014 kann der Mensch über eine Billion Gerüche unterscheiden.

Noch beeindruckender wird es, wenn man betrachtet, was alles im Kopf abgeht, wenn du einen vertrauten Geruch aufschnappst. Er löst Emotionen aus und ruft Erinnerungen hervor. Ein Duft kann dir Sicherheit vermitteln oder aber ein mulmiges Gefühl im Bauch auslösen. Es kommt dabei ganz darauf an, welcher Kultur du angehörst und was für Erfahrungen du bisher gemacht hast. Und es werden auch ständig neue Verbindungen zwischen Düften und Erinnerungen geknüpft. Was in die Nase steigt, gelangt quasi auf der Überholspur direkt zum Gedächtnis. Deshalb jetzt tief einatmen, umblättern und in die Welt der Gerüche abtauchen.

Aromatologie: Die Macht der Gerüche

Die Tatsache, dass Düfte einen grossen Einfluss auf uns haben, macht sich ein besonderer Bereich der Wissenschaft zunutze: die Aromatologie. In diesem Fachgebiet werden die Zusammenhänge zwischen Gerüchen und dem Gehirn unter die Lupe genommen. In Europa handelt es sich um eine relativ unbekannte Forschungsrichtung, doch in China ist sie seit Jahrtausenden bekannt. Räucherstäbchen, Duftkerzen und Co. wurden etwa dazu verwendet, Gottheiten zu ehren, einen Raum einladend wirken zu lassen oder Menschen zu «heilen».

Mittlerweile ist das Interesse an der Kraft der Düfte auch hierzulande gestiegen. Aktuell werden immer mehr Zusammenhänge erforscht. Neuste Erkenntnisse zeigen beispielsweise, dass ein Geruch beeinflussen kann, ob wir müde oder aufgeweckt sind und sogar wie schnell wir auf etwas reagieren. Nebst der Aromatologie werden auch in der Parfümindustrie und in der Kosmetik stets neue Duftkombinationen ausprobiert. Denk alleine an die zig verschiedenen Shampoos, Duschgels und Badesalze, die überall angeboten werden. Immer mit dem Versprechen, den Gemütszustand zu ändern oder Stress und Anspannung zu überwinden. Finde heraus, was dir guttut oder zumindest, was für deinen Riechkolben eine wahre Wohltat ist.


So funktioniert es

Schön und gut – Düfte lösen Gefühle aus und bringen Erinnerungen zurück. Aber was genau läuft im Gehirn ab? Von der Nase gibt es einen direkten Weg zum Zentrum der Erinnerung und der Emotionen des Gehirns, also zum Hippocampus und zum limbischen System. Wenn wir einatmen, nehmen die etwa 400 Rezeptoren in unseren Nasenhöhlen die Duftmoleküle aus der Luft auf. Sie senden dann die Informationen weiter in den Riechkolben. Von da aus werden die Nachrichten weitergeleitet bis ins Gehirn. Bei keinem anderen Sinn gelangen die Reize so schnell an ihr Ziel. Daher geht die Forschung sogar davon aus, dass Gerüche die stärksten und emotionalsten Erinnerungen hervorrufen können.

Back to the Roots

Der Geruchsinn entwickelt sich von allen fünf Sinnen zuerst. Schon im Mutterleib beginnt der Aufbau unserer «Geruchsbibliothek». Weiter geht es als Baby und während der Kindheit. Die ersten Gerüche der Heimat, des Elternhauses oder des Lieblingsessens brennen sich ein. Und wenn wir dann später einmal einen dieser Gerüche wieder wahrnehmen, werden wir entweder ganz bewusst in die Vergangenheit zurückversetzt oder fragen uns, an was uns der Duft bloss erinnert. So flammen manchmal sogar verlorene Erinnerungen wieder auf (siehe Box «Madeleine-Effekt»).

Vernunft vs. Instinkt

Der menschliche Geruchssinn wurde lange Zeit massiv unterschätzt. Riechen ist instinktiv und galt daher als animalisch. Noch heute wird oft behauptet, dass der Mensch eine schlechtere Nase hat als andere Säugetiere – was nicht stimmt. Wir können vielleicht keine Spuren verfolgen wie Hunde, dafür können geübte Riecher feinste Duftnoten guter Weine unterscheiden.

Nie mehr riechen

Uns ist oft gar nicht bewusst, wie wertvoll der Geruchssinn eigentlich ist. Geht er jedoch plötzlich verloren, wird erst klar, wie sehr wir darauf angewiesen sind. Menschen, die ihren Geruchssinn teilweise verloren haben, leiden an Hypsomie. Ein vollständiger Verlust nennt sich Anosmie. Betroffene klagen über Appetit- und Lustlosigkeit. Ursache für Hypsomie und Anosmie sind meistens Kopfverletzungen oder Virusinfektionen.

Mamas Duft: Eau de parfum L’Heure Bleue von Guerlain, Fr. 177.90 / 75 ml, bei Import Parfumerie.
Mamas Duft: Eau de parfum L’Heure Bleue von Guerlain, Fr. 177.90 / 75 ml, bei Import Parfumerie.
1 / 3
Was liegt hier in der Luft? Duftdiffusor Sandelholz, von Lothantique, Fr. 39.95, bei Coop City.
Was liegt hier in der Luft? Duftdiffusor Sandelholz, von Lothantique, Fr. 39.95, bei Coop City.
2 / 3
Message in a bottle: Eau de Toilette Sauvage von Dior, Fr. 124.90 / 100 ml, bei Import Parfumerie.
Message in a bottle: Eau de Toilette Sauvage von Dior, Fr. 124.90 / 100 ml, bei Import Parfumerie.
3 / 3

Sechs Emotionen

Forschungsergebnisse der Universität Genf besagen, dass durch den Geruchssinn folgende sechs Emotionen besonders stark aktiviert werden: Nostalgie, Wohlbefinden, Sinnlichkeit, Vitalität, Trost und Ekel. Jeder Mensch hat bestimmte Gerüche abgespeichert, die ebendiese Gefühlsmuster auslösen können.

Der Madeleine-Effekt

Immer wenn du irgendwo frisch gemähtes Gras riechst, musst du plötzlich an den Garten deines Grossvaters denken? Diese Flashbacks, die durch Gerüche ausgelöst werden, nennt man auch den Madeleine-Effekt. Der Begriff stammt vom französischen Schriftsteller Marcel Proust, der in seinem Roman «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» aus dem Jahr 1913 einen bestimmten Geruch zum Antrieb der ganzen Geschichte machte. Es ist der Duft von Madeleines, des kleinen Süssgebäcks, der den Protagonisten in seine Kindheit zurückkatapultiert.

Für Flashbacks: Duftkerze Madeleine, von Lothantique, Fr. 19.95, bei Coop City.
Für Flashbacks: Duftkerze Madeleine, von Lothantique, Fr. 19.95, bei Coop City.

Die Nase lernt nie aus

Ja, viele Gerüche werden als Kind zum ersten Mal wahrgenommen, mit Erlebtem verknüpft und abgespeichert. Unsere «Geruchsbibliothek» ist jedoch ein Ding der Unendlichkeit. Immer wieder kommen neue Gerüche hinzu und damit auch neue Erinnerungen – etwa beim Reisen durch fremde Länder.

Übung macht den Meister

Wir riechen ständig irgendwelche Düfte. Unterdrücken geht nicht, ausser du hältst dir die Nase zu oder die Luft an. Trainieren lässt sich der Geruchssinn aber schon. Es gibt sogar Kurse und Schulen dafür, etwa für Parfümeure in Ausbildung, aber auch für Privatpersonen.

Coopzeitung Weekend

Mit Coopzeitung und 20 Minuten spannen die beiden grössten Zeitungen in der Schweiz zusammen, um ein neues, trendiges Magazin kurz vor dem Wochenende zu lancieren. «Coopzeitung Weekend» erscheint jeden Freitag dreisprachig im Print und Online von 20 Minuten.