Coopzeitung Weekend

Mut zur Hässlichkeit

Von Fischerhut bis Crocs: Der Ugly-Fashion-Trend zieht sich langsam, aber sicher von Kopf bis Fuss durch. Warum «hässliche» ­Kleider plötzlich hip sein sollen und wieso das gut so ist – wir gehen dem Phänomen auf den Grund.

«So gehst du nicht aus dem Haus!» Diesen Satz ­haben wir alle schon gehört. Und trotz der Einwände unserer Eltern sind wir genau «so» rausgegangen. Das Rebellieren mit Mode war schon immer da. Die Styles haben sich einfach geändert. Heute trägt die eine zum Beispiel Radlerhosen, ohne zu radeln, dazu bauchfreie Tops und klobige Schuhe. Der andere kombiniert das 90er-Fellhütchen mit dem Sportjäggli aus den 80ern und Sneakern, die auch Opa trägt. Es scheint, als hätte man die hässlichsten Sachen aus der Vergangenheit zusammengesucht und in einem neuen Trend vereint. «Ugly Fashion» heisst das Ganze. Oder zumindest nennen diejenigen es so, welche die Mode nicht tragen.

Fashion victim
Barbie Extra Spielset,
Fr. 89.95, bei coopcity.ch.
Fashion victim Barbie Extra Spielset, Fr. 89.95, bei coopcity.ch.

Früher wurde von grossen Designern wie ­Chanel, Dior und Co. diktiert, was en vogue war. Auf die Strasse schaffte es dann die dezente und günstige Abwandlung davon. Trotzdem gab es immer antiästhetische Bewegungen. So ­könnte man auch die aktuelle Mode der Generation Z als Weg sehen, sich vom Establishment abzugrenzen – wie bei den Hippies in den 70ern, den Punks in den 80ern oder den versifften Grunge-­Typen in den 90ern. Wäre da nicht ein Unterschied: Der Ugly-Fashion-Trend sieht zwar «anti» aus, ist aber mainstream. Heute greift man halt für Streetwear- oder Sport-Brands sowie für neue Design-Lieblinge wie Balenciaga und Off-White tief in die Tasche. Wem das zu teuer ist, der findet die Teile leicht abgewandelt auch in Billigläden. Alles beim Alten also – fast. Denn die klassischen Modehäuser orientieren sich jetzt auch gegen «unten». Sie halten es anscheinend für nötig, mit den «jungen Wilden» zusammen­zuspannen: Gucci mit Adidas, Louis ­Vuitton mit Supreme … Das starre Monopol scheint gebrochen zu sein. Wieso das Zeug so hässlich ist, fragst du dich trotzdem noch, oder?

Ein Ansatz ist, dass sich die Generation Z nicht mehr alles «von oben» sagen lassen will. Sie streikt fürs Klima, demonstriert gegen Rassismus und setzt sich für das Aufbrechen von Gender-Normen ein. Der Ugly-Trend ist irgendwie ein Teil davon. Eine Art Befreiungsschlag, der jedoch nicht von einer Randgruppe, sondern vom Mainstream ausgeht – bunt, laut, ironisch und halt auch ein bisschen hässlich.

Sauschnell!
Sonnenbrille von Invu,
Fr. 59.90, bei Coop City.
Sauschnell! Sonnenbrille von Invu, Fr. 59.90, bei Coop City.

Kopfbedeckung

Hüte waren schon immer ein spezielles modisches Statement. Denn sie verrieten viel über den Status des Trägers. Das ist zum Teil heute noch so: Beim Pferderennen sind sie ein übertriebenes Statussymbol, beim Rodeo unterstreicht der Cowboy damit seine Männlichkeit. Und die Generation Z? Die hat sich als Kopfbedeckung den ­Bucket Hat ausgesucht – ein Fischer­hütchen. Funktional, ja. Aber nicht wirklich stylish. Was das über den Träger aussagt? I don’t give a f***.

Brands und Logos

«In your face!» ist ein Grundsatz des Trends. Und genau so sollen auch die Prints und Marken-Logos sein. Ganz nach dem Motto: Mehr ist mehr! «Das Shirt ist von Fendi?». Klar, steht ja auch hundertmal drauf. Auch wenn der Ugly-Trend inklusiver ist als andere, so gibt es immer noch den «Elite-Gedanken». Fischerhüte von der Stange sind top. Doch noch cooler ist schon das Balenciaga-Hüetli. Aber darauf kann man ja auch pfeifen.

Hipster-Hösli
Radlerhose von Nulu,
Fr. 24.95, bei Coop City.
Hipster-Hösli Radlerhose von Nulu, Fr. 24.95, bei Coop City.

Kombinationen

Fashion-Regeln à la «Oben weit und ­unten eng oder umgekehrt» sowie ­«Mische keine Prints» sind in der ­Ugly-Fashion komplett ausser Kraft gesetzt. Nicht nur, dass die Kleidungsstücke und Accessoires schon per se als unstylish gelten, sie können auch noch so wild kombiniert werden, wie man möchte. Hauptsache, du trägst das Ganze mit viel Attitude!

Accessoires

Bei den Accessoires ist jetzt cool, was früher funktional oder ­trashig war. Bauchtäschchen zum Beispiel oder «schnelle Sonnenbrillen». Vor allem die verspiegelten Dinger, die normalerweise die Köpfe der Velo­fahrer oder Beachvolleyballer schmücken, sind für die Anhänger des Ugly-­Trends ein gefundenes Fressen. Denn reisst du die Sportlerbrille aus ihrem Kontext, setzt du ein ironisches ­Statement: ein Grund­pfeiler der Ugly-­Fashion.

Sock ’n’ roll
Sport-Socken Rohner, 
3er-Pack, Fr. 12.90, bei Coop City.
Sock ’n’ roll Sport-Socken Rohner, 3er-Pack, Fr. 12.90, bei Coop City.

Socken

Was haben wir uns mit ­unseren Sneaker-Söckli abgemüht, damit man auch ja nicht sieht, dass man Socken in den Sneakern trägt. Knöchelfrei? So 2010! Socken muss man ­heute sehen. Und welches Modell bietet sich da am ­besten an? Genau, weisse Tennissocken. Wie es sich für den ­aktuellen Trend gehört, sind sie der Albtraum derjenigen, die dann eben so Sachen ­sagen wie: «So gehst du aber nicht aus dem Haus!»

Schuhe

Der Startschuss für den Ugly-Shoe-Trend kam wohl von Balenciaga. 2018 brachte das Label einen klobigen, un­förmigen Sneaker auf den Markt, der wie eine Designer-Variante dessen aussah, was der amerikanische Durchschnitts-Dad so an den Füssen trägt. Der «Dad Shoe»-Trend war geboren. Auch sonst läuft schuhtechnisch viel Wildes: Kanye West bringt etwa ständig neue Schuhe raus, die aussehen, als hätte man sich mit Crocs in Lava gestellt. Apropos Crocs: Auch die sind jetzt cool – genauso wie Trekkingschuhe.

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Mit Coopzeitung und 20 Minuten spannen die beiden grössten Zeitungen in der Schweiz zusammen, um ein neues, trendiges Magazin kurz vor dem Wochenende zu lancieren. «Coopzeitung Weekend» erscheint jeden Freitag dreisprachig im Print und Online von 20 Minuten.