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Der tägliche Gratis-Krimi: Teil 9

Fesselnder Lesespass mit «Hunkeler in der Wildnis». Jeden Tag einen neuen Teil zum Lesen!

Liebe Leserinnen und Leser!

In schwierigen Zeiten wie diesen ist vor allem eines wichtig: Zusammenhalt und das Wissen, nicht alleine zu sein. Und was verbindet mehr, als gemeinsam für kurze Zeit dem Alltag zu entfliehen und auf eine gemeinsame Phantasiereise zu gehen?

Zusammen mit dem Diogenes Verlag schenkt 20 Minuten deswegen allen Menschen in der Schweiz jeden Tag ein Stück spannender Literatur zum gemeinsamen Schmökern. Wir publizieren täglich kostenlos ein Kapitel des fesselnden Krimi-Romans «Hunkeler in der Wildnis» des Aarauer Schriftstellers Hansjörg Schneider.

Lasst euch vom Lesevergnügen packen, teilt es mit euren Liebsten und vergesst nicht auf die kleinen Freuden im Leben. Bleibt gesund und passt auf euch und eure Mitmenschen auf!

Du warst nicht von Anfang an dabei? Kein Problem, hier findest du alle Kapitel.

Teil 9:

Er dachte an die Bäuerin im Nachbarhaus, die vom Meer träumte. Dieses Träumen machte sie für Augenblicke glücklich, obschon sie nur deshalb so schön träumen konnte, weil sie im Stall festgebunden war wie eine Kuh an der Krippe. Er, Hunkeler, hätte sich alles leisten können, was er wollte. Er konnte in die Rheinebene hinunterfahren und sich ohne weiteres in ein Flugzeug setzen, das zum Beispiel nach Rio de Janeiro flog, quer über den Atlantik durch die Nacht. Er konnte sich, wenn er wollte, an der Copacabana ein schönes Hotelzimmer mieten, einen Strohhut aufsetzen und am Strand spazieren gehen. Das war das, wovon er früher geträumt hatte. Aber jetzt, wo es möglich war, wollte er nicht mehr. Vielleicht deshalb nicht, weil dieses Wandern am Strand von Rio in der Phantasie viel schöner war, als es in Wirklichkeit sein würde? Oder weil er es verpasst hatte?

Er hatte vieles verpasst im Leben. Er war zum Beispiel nie über den Äquator gekommen, obschon er dies immer tun wollte. Aber irgendwie hatte es nie geklappt. Was ihm jetzt ganz recht war. Die eine Hälfte der Erdkugel war ihm mehr als genug.

Wovon träumte er denn? Hatte er überhaupt noch Träume?

Er schenkte sich Wein nach und trank. Der Himmel über ihm war stahlgrau geworden. Nur im Westen hing noch ein Streifen Rosa.

Jawohl, er hatte noch Träume. Und zwar träumte er von seiner Jugend. Davon, wie er mit seiner Freundin per Autostopp das Rhonetal hinunterfuhr, nach Les Saintes-Maries-de-la-Mer. Sie kamen nur langsam voran. Am ersten Tag bis Vienne. Am zweiten Tag bis Avignon. Dort übernachteten sie in einem Park gegenüber dem Papstpalast. Die ganze Nacht blies ein heftiger, kalter Wind, der Mistral. Am frühen Morgen dann das Aufschimmern des riesigen Palastes über der Rhone, ganz und gar fremdartig, orientalisch verschlossen anmutend, fast ein bisschen bedrohlich. Diesen frühmorgendlichen Anblick jedenfalls hatte er nicht verpasst. Die Umarmung seiner Freundin nicht, die sich bei ihm ein bisschen Wärme holen wollte. Den weiten Himmel über den Étangs nicht. Die burgähnliche Kirche der drei Marien und den feinen Sand nicht, den der Wind aus der Sahara über das Meer getragen hatte. Das alles war genau richtig gewesen für ihn damals, und für seine Freundin auch. Und jetzt war anderes für ihn richtig. Zum Beispiel die Wiese vor seinen Augen. Die dunklen Bäume. Die Stille.

Er merkte, wie er langsam einnickte. Er merkte es daran, dass er nach links auf die Bank hinunterkippte. Er richtete sich auf und sah, dass es die Stunde der Fledermäuse war. Sie huschten durch den Himmel, nur kurz wahrnehmbar, tauchten dann wieder in die Dunkelheit ein. Er hätte gerne gewusst, wo sie wohnten. Ob sie irgendwo im Gebälk überwinterten oder im Herbst, wenn die Luft für ihre Nahrung, die Mücken, zu kalt wurde, in nächtlichen Schwärmen nach Afrika zogen. Aber das war wohl das Wesen dieser Flattertiere, sie waren und blieben geheimnisvoll.


Mitten in der Nacht erwachte er und hörte ein Rumpeln, das aus der Küche kam. Er machte Licht und sah, wie die beiden Katzen auf den Boden hinuntersprangen und unter der Bettstatt verschwanden. Das erschreckte ihn, denn üblicherweise brauchte es einiges, sie aus ihrem wohligen Schlaf zu holen. Langsam erhob er sich und ging in den Gang hinaus. Wieder das Rumpeln, ein Scheppern, als ob Geschirr zerbräche. Er spürte ein Zittern in den Knien. Vor Kälte, redete er sich ein, obschon er wusste, dass es Angst war. Er riss die Küchentür auf. Vor ihm stand ein Tier, das ihn aus funkelnden Augen anstarrte. Das Funkeln kam vom Widerschein der Lampe im Gang, das war ihm klar. Trotzdem waren diese Augen so entsetzlich wild, dass ihm kalt wurde im Nacken. Beinahe hätte er die Tür wieder zugezogen, um sich zu retten. Aber er hielt stand, diesem Blick, seiner Angst. Bis das Tier über den Tisch zum offenen Fenster hinaussprang.

Es war der Hund Kaspar gewesen. Seltsamerweise hatte ihn diese Erkenntnis nicht zu beruhigen vermocht. Er hatte irgendetwas geträumt, etwas Böses. Das Scheppern hatte ihn aus diesem Traum gerissen, ohne allerdings die Traumrealität ganz verscheuchen zu können.

Daher das Zittern. Er zitterte immer noch. Daher die Angst.

Er setzte sich für einen Moment an den Küchentisch. Dieser war aus Holz. Und zwar aus dem Holz einer Buche, er sah die feine Maserung. Ein Wort hätte jetzt gutgetan, eine menschliche Stimme. Von Hedwig zum Beispiel. Eine Berührung durch ihre Hand.

Er lauschte in die Nacht hinaus. Stille, keine Geräusche. Bloß ein leises Rascheln vom Wind, der durch das Laub der Weide ging. Oder war das Rascheln bloß Einbildung? Weil er die Stille nicht ertrug?

Es war ihm nach einer Weile, als sei da doch etwas zu hören. Unwirklich, von ferne, aus einem anderen Land. Wieder erschrak er, aber es war kein Erschrecken vor Angst. Vielmehr war es ein tröstliches Erkennen. Tatsächlich spielte jemand Flöte in der Nacht. Bloß ein paar wenige Töne. Dann eine Pause. Bis wieder dieselben Töne einsetzten. Es war ein Staunen, das Hunkeler ergriff. Darüber, dass er, Hunkeler, gemeint war in dieser Nacht. Denn es war klar, dass diese Musik für ihn gespielt wurde.

Er löschte das Licht und trat vor die Haustür. Er setzte die nackten Füße ins taufeuchte Gras, geräuschlos, er wollte niemanden verscheuchen. Er ging zum Stamm des Nussbaums, den er vor langer Zeit gepflanzt hatte. Hier fühlte er sich sicher.

Von links, von der Brücke her, näherte sich eine dunkle Gestalt. Ein Mann vermutlich, hochaufgeschossen und dünn, mit einem Zylinderhut auf dem Kopf. Er ging, nur schwach im Umriss erkennbar, gemächlichen Schrittes durch die Schwärze der Nacht, als würde er von unsichtbarer, fremder Macht geleitet. Er blies eine kleine Flöte, aus Bambus wohl ihrem leisen und doch weittragenden Klang nach. Er schritt knappe zehn Meter vor Hunkeler über den Weg, der nach hinten in den Wald führte.

Hunkeler rührte sich nicht, festgebannt auf den Ort, wo er stand. Bis die Töne verklangen in der Dunkelheit, die jetzt alles einhüllte.

Die Fortsetzung folgt morgen. Du findest sämtliche Kapitel hier im Kanal: 20min.ch/diogenes

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Hansjörg Schneiders «Hunkeler in der Wildnis» liest du jetzt exklusiv auf 20min.ch.

(Bild: Philipp Keel / © Diogenes Verlag)

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Teilnameschluss: 19. April 2020