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Liebe Leserinnen und Leser!
In schwierigen Zeiten wie diesen ist vor allem eines wichtig: Zusammenhalt und das Wissen, nicht alleine zu sein. Und was verbindet mehr, als gemeinsam für kurze Zeit dem Alltag zu entfliehen und auf eine gemeinsame Phantasiereise zu gehen?
Zusammen mit dem Diogenes Verlag schenkt 20 Minuten deswegen allen Menschen in der Schweiz jeden Tag ein Stück spannender Literatur zum gemeinsamen Schmökern. Wir publizieren täglich kostenlos ein Kapitel des fesselnden Krimi-Romans «Hunkeler in der Wildnis» des Aarauer Schriftstellers Hansjörg Schneider.
Lasst euch vom Lesevergnügen packen, teilt es mit euren Liebsten und vergesst nicht auf die kleinen Freuden im Leben. Bleibt gesund und passt auf euch und eure Mitmenschen auf!
Du warst nicht von Anfang an dabei? Kein Problem, hier findest du alle Kapitel.
Teil 22:
Abends um 19 Uhr betrat Hunkeler das Restaurant Birseckerhof an der Heuwaage. Es war eines der alten, stolzen Lokale aus der Zeit, als die Baslerinnen und Basler noch ausgingen, um sich bewirten zu lassen. Diese Zeit war vorbei, da abends alle zu Hause vor dem Fernseher hockten. Der Birseckerhof war hievon eine Ausnahme, weil er seit je hausgemachte Teigwaren anbot, als zweiten Gang Ossobuco und Piccata al limone. Dies waren jedenfalls die Gerichte, zwischen denen sich Hunkeler jeweils entschied. Dazu ein herber Barbera aus dem Piemont. Er konnte sich dies leisten, schließlich hatte er die Rente eines städtischen Beamten.
Da Suter, mit dem er sich hier verabredet hatte, noch nicht da war, setzte er sich an einen der weißgedeckten Tische und ließ sich vom Ober die Karte bringen. Dieser hieß Enrico, war über siebzig und trug über einem schneeweißen Hemd ein abgewetztes violettes Gilet.
»Ciao Signor Hunkeler«, sagte er. »Auch wieder im Lande?«
»Nur kurz, nur auf Besuch.«
»Freut mich sehr, Sie zu sehen. Sie waren mir stets ein lieber Gast.«
»Sie auch, Enrico. Sie fehlen mir auch.«
»Wie geht’s Ihrer Frau?«
»Danke, gut. Sie arbeitet noch immer.«
»Wie sagt man? Alte Liebe rostet nicht?«
»Ja, Enrico, es ist so.«
»Wollen Sie schon bestellen? Oder warten Sie auf jemanden?«
»Ich will bloß wieder einmal die Karte lesen. Piccata al limone zum Beispiel, das ist Poesie. Oder Ossobuco.«
»Sie nehmen Piccata?«
»Nein, Ossobuco con risotto. Wenn das Fleisch schön weich ist.«
»Es ist zart wie der Po eines Bambino. Darf ich auffahren? Oder warten Sie noch?«
»Ich warte auf Staatsanwalt Suter.«
»Oh, Signor Suter. Er hat nie Zeit. Er kommt nur schnell auf einen Teller Spaghetti und rennt gleich weg. Das ist nicht gut für die Gesundheit. Darf ich Ihnen ein Glas Barbera bringen?«
»Gern.«
Suter kam um halb acht, in einem leichten hellgrauen Leinenanzug mit hellgrüner Krawatte.
»Ich weiß«, sagte er, »ich bin zu spät, sorry. Wir laufen alle auf Hochtouren. Haben Sie das heutige Boulevardblatt aus Zürich gelesen? Unverschämt. Als ob wir vom Kommissariat blutige Anfänger wären. Dabei bin ich seit über dreißig Jahren im Beruf. Was sagen Sie? Haben Sie es gelesen?«
»Ich habe beschlossen, es nicht mehr zu lesen. Weil bloß Quatsch drinsteht.«
»Sie haben recht, sehr recht. Warum sind Sie heute Morgen nicht an der Trauerfeier gewesen? Sie haben Schmidinger doch gemocht.«
»Ja. Aber wenn ich hingehe, hänge ich sogleich wieder drin.«
»Weise, sehr weise. Haben Sie schon bestellt?«
»Nein, ich habe auf Sie gewartet.«
»Ach ja, sorry. Was nehmen Sie?«
»Heute ausnahmsweise Kalbshaxe mit Risotto.«
»Ach ja? Kalbshaxe ist mir zu zäh. Ich habe es mit dem Magen.«
»Enrico hat gesagt, die Kalbshaxe sei zart wie ein Kinderpo.«
»Wie bitte? Ist es nicht gefährlich, so etwas zu sagen?«
»Nein, warum?«
»Gut, meinetwegen. Per me un risotto«, sagte er zu Enrico, der an den Tisch gekommen war. »Mit Steinpilzen, per favore.«
»Risotto con porcini«, sagte Enrico. »Und Ossobuco für Signor Hunkeler. Und eine Flasche Barbera.«
»Nein«, sagte Suter, »für mich bloß ein Glas. Dazu Wasser, viel Wasser, vom herrlichen Basler Leitungswasser.«
»Eine Flasche Barbera«, sagte Enrico, »und viel Wasser für Signor Suter.«
»Gut, also«, sagte Suter. »Was zum Teufel haben Sie gestern Nacht angestellt? Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?«
Oha, Hunkeler erschrak. Die vom Balkon im Hinterhof hatten also die Polizei angerufen.
»Es war massive Nachtruhestörung«, sagte er, »unerträglich. Junges Volk, ein Gegröle und Geschrei. Bis um zwei. Dann habe ich die Nerven verloren. Tut mir leid.«
»Was für junges Volk? Es war das alte Ehepaar Cernik in der zweiten Etage, das angerufen hat. Eingewandert aus Prag 1968, nach dem Einmarsch des Warschauer Pakts. Sie leiden noch immer unter diesem Trauma. Und jetzt fliegt mitten in der Nacht ein Geschoss durch die Fensterscheibe. Die Frau hat einen Schock erlitten und musste sich in ärztliche Behandlung begeben.«
»Es war bloß eine Kartoffel.«
»Tut nichts zur Sache. Geschoss ist Geschoss. Lüdi hat sich der Sache angenommen. Die Kartoffel konnte nur von Ihrem Balkon aus geworfen worden sein. Alles andere ist vom Laub der Bäume abgedeckt. Was soll das? Ein berenteter Kommissär wirft mitten in der Nacht mit Kartoffeln fremde Fensterscheiben ein. Wenn der dicke Hauser dies erfährt, dann haben wir den Salat.«
Hunkeler nahm einen Schluck Wein. Sauer schmeckte er plötzlich, wie die bittere Erde des Piemonts.
»Soll ich hingehen und mich entschuldigen?«, fragte er.
»Nein, das hat Lüdi getan. Ich erteile Ihnen einen scharfen Verweis. Und eine dringende Warnung.«
»Es soll nicht mehr vorkommen.«
Enrico servierte das Essen und den Wein.
»Woher kommen die Steinpilze?«, fragte Suter.
»Aus Apulien, Signore.«
»Sind sie frisch?«
»Wenn Sie uns misstrauen, Signore, sollten Sie nicht in unsere Trattoria kommen.«
»Stimmt, Sie haben recht. Sorry.«
Er schob sich vorsichtig eine Gabel voll in den Mund. Sein Blick hellte sich auf, er nickte anerkennend.
»Hervorragend. Zum Wohl.«
Sie prosteten sich zu.
»Was mir auffällt«, sagte Suter, »Sie haben doch früher immer unter der Sommerhitze gelitten. Warum sind Sie nicht in Ihrem Elsässer Refugium geblieben? Sondern schon über eine Woche hier in der heißen Stadt?«
Oha, wieder erschrak Hunkeler.
»Stehe ich unter Beobachtung?«
»Nein, nicht speziell. Aber natürlich haben wir den Kannenfeldpark im Auge. Rund um die Uhr.«
»Sie haben mich ja ausdrücklich gebeten, nach Basel zu kommen.«
»Ja, stimmt. Aber was wir auf keinen Fall gestatten, sind private Ermittlungen Ihrerseits.«
»Davon kann doch wohl keine Rede sein. Gut, ich habe heute Morgen im Rheinbad mit Walter Traufer geredet. Er hat sich mir richtiggehend aufgedrängt. Er ist es übrigens nicht gewesen.«
»Sind Sie da sicher?«
»Jawohl.«
»Madörin ist anderer Meinung. Vielleicht sollten wir öfter mal eine Flasche zusammen trinken. Die Wahrheit ist nämlich die, dass wir keine Ahnung haben, wer die Täterschaft sein könnte. Wir wissen nicht einmal, wo wir suchen sollen. Warum sagen Sie nichts?«
»War das eine Frage?«
»Nein, eigentlich nicht. Sie wissen ja auch nichts. Oder wie ist das?«
»Es könnte jeder oder jede sein, der oder die in jener Nacht im Park gewesen ist.«
»Bitte lassen Sie das mit diesem Genderzeug. Es macht mich ganz konfus.«
»Oder es war eine Beziehungstat.«
Suter nahm einen Schluck Wein.
»Köstlich, in der Tat. Es muss ja nicht immer ein Château aus Bordeaux sein. Ein guter Landwein tut’s auch.«
»Das hier ist der beste Barbera, den es in Basel gibt.«
»Sage ich ja. Also eine Beziehungstat vielleicht. Die Boulegruppe war heute Morgen geschlossen bei der Trauerfeier, außer Traufer. Aber der war’s ja nicht, wie Sie sagen.«
»Nein.«
»Sogar Dr. Gratzer war da. Was halten Sie von ihm?«
»Ein eingebildeter, alter Trottel.«
»Also einer wie ich, wollen Sie damit sagen?«
»Nein, alt sind Sie nicht.«
»Das ist nicht schlecht, wirklich nicht schlecht. Humor ist des Baslers Wehr und Waffen, nicht wahr?«
Er schenkte sich neu ein und trank das Glas in einem Zug aus.
»So, Schluss jetzt mit dem Wein. Alle Mann auf Deck, es geht ans Eingemachte.«
»Gilt das auch für mich?«
»Ja natürlich, Herr Kollege. In alter Treue. Vielleicht habe ich heute Morgen an der Trauerfeier ein bisschen zu viel vom Maispracher getrunken, auch ein guter Tropfen. Kann passieren, nicht wahr? Aber werden wir konkret. Dr. Gratzer war in jener Nacht, als Schmidinger erschlagen wurde, bei seiner Geliebten. Die andern aus der Boulegruppe sind alle auch sauber.«
»Was ist mit den Geldüberweisungen nach Zagreb?«
»Woher wissen Sie das?«
»Von Gendarme Wirz aus St.-Louis. Er hat es von Commissaire Bardet.«
»Was ist das für eine Schwatzbude, diese Gendarmerie? Verrate einem von ihnen ein Geheimnis, und am nächsten Morgen weiß es das ganze Elsass. Sorry, das war jetzt ein bisschen elsassphob. Soll nicht mehr vorkommen. Also, die Geldüberweisungen nach Zagreb waren für Schmidingers Exfrau aus frühen Jahren. Die Besuche in Dornbirn galten Schmidingers Tochter Ludmilla.«
»Wie steht es um Ruth Mangold?«
»Eine schwergezeichnete Frau, in der Tat. Sie ist kaum mehr fähig, einen klaren Satz zu äußern. Blass und stumm.«
»Sie hat einen schönen Rosengarten.«
»Ja, ihre einzige Freude. Sie schmückt ihr Heim mit blühenden Rosen. Und mit bunten Steinen, allesamt zu Eiern oder Kugeln geschliffen. Wirklich eindrücklich. Wie steht es übrigens mit Grappa in diesem Etablissement? Ist er gut?«
»Sehr gut. Er wird in einem eisbeschlagenen Glas serviert.«
»Signore, una grappa, per favore. Ich habe es mit dem Magen.« Und zu Hunkeler: »Tatsächlich, ich bin ein bisschen beschwipst.«
»Macht nichts. Wir waren bei der Frage, ob Zufallsdelikt oder Beziehungsdelikt.«
»Richtig. Es scheint so zu sein, dass Ruth Mangold und Schmidinger eine sehr einsame Beziehung gelebt haben. Wie soll man da ein Beziehungsdelikt aufdecken? Und wenn es ein Zufallsdelikt ist, haben wir kaum eine Chance. Das ist die traurige Wahrheit.«
»Es sei denn«, sagte Hunkeler, »Sie finden die dritte Kugel.«
»Ja, diese verdammte Kugel. Die kann überall liegen, in jedem Gebüsch. Grazie, Signore.«
Er hob den Grappa, den ihm Enrico brachte, an die Lippen und kippte ihn mit geschlossenen Augen in die Kehle.
»Ottimo, Enrico, meraviglioso.«
»Wie steht es eigentlich mit Ueli Zgraggen? Mit dem Schlüsselservice, den er aufgezogen hat?«
»Wir haben ihn im Auge. Es war natürlich ein Vergehen, die Schlüssel zu verteilen. Aber es ist unmöglich festzustellen, wer alles einen Schlüssel hat. Er ist ohne weiteres nachzuproduzieren. Wir schätzen, dass inzwischen mehrere Dutzend im Umlauf sind, mindestens. Zudem gibt es weitere Einstiegsmöglichkeiten für den Park. Was wir schon längst wussten. Aber wir sind eine liberale Stadt. Wenn sich jemand nächtens im Park aufhalten will, so kann er das. Solange er sich anständig aufführt. Natürlich könnten wir den Park dichtmachen. Aber das würde unsere einzige Chance, die Täterschaft zu finden, minimieren. Wir lassen also die nächtlichen Zugänge offen, wie bisher. Und überwachen das Areal. Oder sind Sie anderer Meinung?«
»Nein, ich wäre auch dieser Meinung. Wie steht es mit Josef Bruderer? Der war doch mit Ruth Mangold liiert, bevor sie zu Schmidinger wechselte.«
»Ach der. Er ist ein Sufi. Ein Asket der altpersischen Art. Ein Phantast. Gänzlich harmlos, meint Madörin.«
»Immerhin weiß ich, dass er manchmal auch Boule gespielt hat.«
»Würden Sie ihm eine solche Tat zutrauen?«
»Jetzt sind Sie möglicherweise doch ein bisschen betrunken, Herr Staatsanwalt.«
»Schon möglich. Warum meinen Sie?«
»Wir wissen doch beide, dass eine solche Tat unter bestimmten Umständen jedem Menschen möglich ist.«
»Sie haben recht. Signore, un espresso, per favore!«
Die Fortsetzung folgt morgen. Du findest sämtliche Kapitel hier im Kanal: 20min.ch/diogenes
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Teilnameschluss: 27. April 2020