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Der tägliche Gratis-Krimi: Teil 35

Fesselnder Lesespass mit «Hunkeler in der Wildnis». Jeden Tag einen neuen Teil zum Lesen!

Liebe Leserinnen und Leser!

In schwierigen Zeiten wie diesen ist vor allem eines wichtig: Zusammenhalt und das Wissen, nicht alleine zu sein. Und was verbindet mehr, als gemeinsam für kurze Zeit dem Alltag zu entfliehen und auf eine gemeinsame Phantasiereise zu gehen?

Zusammen mit dem Diogenes Verlag schenkt 20 Minuten deswegen allen Menschen in der Schweiz jeden Tag ein Stück spannender Literatur zum gemeinsamen Schmökern. Wir publizieren täglich kostenlos ein Kapitel des fesselnden Krimi-Romans «Hunkeler in der Wildnis» des Aarauer Schriftstellers Hansjörg Schneider.

Lasst euch vom Lesevergnügen packen, teilt es mit euren Liebsten und vergesst nicht auf die kleinen Freuden im Leben. Bleibt gesund und passt auf euch und eure Mitmenschen auf!

Du warst nicht von Anfang an dabei? Kein Problem, hier findest du alle Kapitel.

Teil 35:

Hunkeler ging hinunter zum Schuppen der Stadtgärtner und trat unter die Linde zur Mauerlücke. Dort stellte er sich hin und wartete.

Nach einer Weile erschien in der Kellertür gegenüber Ruth Mangold, unglaublich dünn in ihrem grauen Kleid. Sie schaute kurz in den Himmel hoch, dann hinüber zur Mauerlücke, wo Hunkeler stand. Endlich stieg sie die paar Stufen hinauf, sehr langsam, als würde ihr das Gehen schwerfallen. Sie blieb stehen vor einem Busch weißer Rosen und schnitt eine ab. Wieder hob sie den Blick und schaute jetzt Hunkeler direkt in die Augen. Sie hob den Arm, um ihm zu winken.

Er stieg über die Mauer und betrat ihren Garten. Es wuchsen ausschließlich weiße Rosen hier, Busch an Busch.

»Ich habe Sie erwartet«, sagte sie. »Wie geht es Josef?«

»Gut«, sagte er, »er ist unterwegs nach Langres.«

Sie nickte überaus freundlich.

»Darf ich Sie hereinbitten zu einer Tasse Tee?«

»Gern.«

Sie schritt voraus über die Terrasse in einen großen Raum, dessen Wände mit Regalen ausgekleidet waren. Darauf lagen Steine in Kugel- und Eiform.

»Wundern Sie sich bitte nicht allzu sehr«, sagte sie und stellte die Rose in eine Vase. »Ich bin von Beruf Steinschneiderin. Dies ist meine Kunst. Hier rechts liegen die Kugeln, alle aus Eruptivgestein wie Gneis, Quarz, Lava. Links die Eiformen aus Sedimentgestein wie Kalk und Sandstein. Die Eiformen stammen aus meiner Frühphase. Ich habe eine Zeitlang gebraucht, bis ich zur Kugel vorstoßen konnte. Sie ist die Urform, die vollkommene Eruption. Das Ei ist die junge, noch im Werden begriffene Form. Ablagerung, Sediment. Sie können mir bestimmt folgen, nicht wahr?«

»Nicht ganz. Sehr überraschend. Soll das hier eine Prüfung sein?«

»Vielleicht.«

Er zeigte auf eine der Kugeln, die von innen heraus dunkel zu leuchten schien.

»Ein schwarzes Leuchten«, sagte er, »eigentlich ein Widerspruch. Sehr dunkler Rauchquarz, Morion. Ich weiß das, weil ich selber einmal Quarzkristalle gesucht habe. Val Giuv, Göschener Alp. Mit Sicherheit äußerst schwer zu schneiden.«

»Val Giuv. Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, bis die Kugelform vollkommen war. Kommen Sie, ich zeige Ihnen etwas.«

Sie führte ihn nach hinten, wo ein Ewiges Licht brannte. Und er kam sich wie früher in der Schule vor, wenn ihn die Lehrerin an die Tafel holte. Aber er hielt stand.

Auf einer Konsole lag eine halbmetergroße Figur aus Marmor, welche die überaus dicke Göttin aus Malta zeigte. Daneben hingen Fotos der Tempel von Malta und Gozo.

»Das sind die fünf Tempel der prähistorischen Malteser Kultur«, sagte er. »Alle aus dem weichen Gestein jener Inseln. Kleeblattförmig, alles rund, kein einziger rechter Winkel. Sie stehen unberührt in der herrlichen Landschaft über dem Meer. Und das da ist ein Abbild der großen Göttin. Es sind zwei davon erhalten. Unglaublich beleibt, wenn ich so sagen darf. Sie war kaum fähig, ohne fremde Hilfe zu gehen.«

»Weiter?«, fragte sie.

»Was mir auf‌fällt«, sagte er, »ist die Tatsache, dass zwei wichtige Artefakte fehlen. Erstens die beiden kleinen Reliefs, die im Museum von Valetta hängen. Auf dem ersten sind drei aufrechte, erigierte Penisse zu sehen, auf dem andern ein einziger erigierter Penis. Offenbar das Einzige, was die Frauen damals an Männern erwähnenswert fanden.«

»Und warum sind diese Reliefs hier nicht vertreten?«

»Wohl deshalb nicht, weil Sie selber dergleichen in keiner Weise erwähnenswert finden.«

Sie lächelte allerliebst.

»Kann sein. Wer weiß?«

»Es fehlt auch das zentrale Höhlenheiligtum von Malta, das Hypogäum. Unterirdische Räume, drei Stockwerke tief, erst vor einem Jahrhundert zufälligerweise entdeckt. Wiederum kein rechter Winkel, keine reine Gerade. Das scheint alles in Bewegung zu sein, zu wachsen, sich zu verändern.«

»Und warum ist das Hypogäum hier nicht abgebildet?«

Pass auf, alter Knabe, dachte er, was du sagst.

»Weil ein Abbild davon bereits eine unerlaubte Festlegung wäre, eine unstatthafte Vervielfältigung von Zeit und Raum. Vielleicht auch, weil der Einsatz von Blitzlicht den Dämmer des Raumes profanieren, entheiligen, würde.«

Frau Mangold nickte, sichtlich zufrieden.

»Ich wusste, dass Sie sich auskennen. Das ist der Grund, weshalb ich Sie erwartet habe. Die Männer kennen sich in der Regel in der maltesischen Kultur nicht aus. Weil es eine Kultur des Matriarchats ist. Wesentlich älter als die ägyptischen Pyramiden, geheimnisvoll, weil ohne Schrift. Keine Männer betreffende Artefakte, außer den Penissen im Museum. Keine Waffen, keine eingeschlagenen Schädel. Die Pyramiden von Giseh hingegen kennt jedes Kind. Diese grässlichen Dreiecke, mit denen sich das Patriarchat die uralte, friedliche Frauenkultur unterworfen hat. Den Satz des Pythagoras lernen alle in der Schule. Von der Sphinx, die vor den drei Pyramiden im Sand liegt, weiß man bloß, dass ihr irgendeinmal ein verrückt gewordener General die Nase wegschießen ließ. Aber noch immer liegt sie dort, das Geheimnis der Schöpfung bewahrend.«

Eine leichte Röte hatte sich während ihrer Rede über ihr Gesicht ausgebreitet. Kein Zweifel, in dieser zerbrechlich wirkenden Dame brannte Feuer.

»Gut«, sagte sie, »ich hole den Tee.«

Sie verschwand. Hunkeler fand sich allein in dem beängstigend eigenartigen Raum. Ein Heiligtum? Eine Kapelle der Kunst? Oder schlicht eine Galerie? Ein niedriger weißer Marmortisch in der Mitte, darauf die weiße Rose. Vier Hocker drum herum aus feinstem Leder, das wohl von irgendeiner Bergantilope stammte. Sonst kein Möbelstück, außer einer makellos weißen Truhe, auf der ein Teeservice stand.

Die Kugeln auf den Regalen rechts leuchteten in allen Farben des Regenbogens. Roter Porphyr, grüne Jade, violetter Amethyst. Alles Gestein, das wohl schon vor Jahrmillionen aus dem Innern der Erde herausgeschleudert und vor wenigen Jahren von Ruth Mangold rundgeschliffen worden war. Links gegenüber die späteren Ablagerungen, zurückhaltend blass in der Ausstrahlung, alle in der Form von Eiern. Seltsam war dies, fand Hunkeler. Was hatte Frau Mangold gegen das Ei? Es war doch auch eine Urform des Lebens. Bis ihm die Lösung einfiel. Frau Mangold war eine Künstlerin, die Partei ergriff. Und zwar für die vollkommene Form der Kugel. Dies hier war ein Mausoleum der steinernen Ewigkeit.

Eine faszinierende Dame, die zeitlebens versucht hatte, hartes Gestein, das eigentlich nicht formbar war, nach ihrem Willen zurechtzuschleifen und so diesen Raum zu vollenden. Es war folgerichtig, dass sie jeden Morgen eine Rose, das Symbol der Schönheit und des Verwelkens, auf den weißen Marmortisch pflanzte. Jeden Morgen neu. Weil sie die Vergänglichkeit nicht ertrug, ihr eigenes Verwelken.

Er erschrak, denn plötzlich stand sie wieder neben ihm, ohne dass er ihre Schritte gehört hätte. Sie stellte einen Teekrug auf den Tisch, holte das Teeservice und schenkte ein.

»Ingwer mit Limonen und einer Prise Zimt«, sagte sie. »Schmeckt’s?«

Hunkeler trank. Er sah, dass die Teekanne aus Silber war.

»Ja«, sagte er. »Warum Silber? Sonst sehe ich kein Metall im Raum.«

»Weil Silber das Element der Luna ist. Luna, nicht der Mond. Diese runde Scheibe, die sich heute Abend über den Horizont erheben wird, diese vollkommene Kugel, kann unmöglich ein Mann sein. Wissen Sie das nicht?«

»Durch bewegter Schatten Spiele zittert Lunas Zauberschein«, sagte Hunkeler.

»Und durchs Auge schleicht die Kühle sänftigend ins Herz hinein«, antwortete sie.

Sie legte ein Aufnahmegerät auf den Tisch und schaltete es ein. »Jetzt möchte ich eine Erklärung abgeben.«

Hunkeler überlegte, ob er eingreifen, ihr das Gerät aus der Hand schlagen, sie anschreien sollte. Er tat es nicht. Es war klar, dass sie Macht über ihn gewonnen hatte.

»Hier spricht Ruth Mangold aus der Glaserbergstraße«, sagte sie. »Ich habe, in Anwesenheit von Alt-Kommissär Peter Hunkeler, folgende Erklärung abzugeben.«

»Moment«, fuhr er dazwischen, »hören Sie auf. Was tun Sie da?«

»Schweigen Sie. Die Situation ist zu ernst, um dreinzuschwatzen.«

Er schwieg und fragte sich, warum. War es der Raum, ihre Stimme, ihr totenblasses Gesicht?

»In der Nacht, in der Heinrich Schmidinger zu Tode kam, saß ich ab 23 Uhr am offenen Fenster zum Park hin. Ich hörte, wie drüben Heinrich mit Josef Bruderer Boule spielte. Josef war mein früherer Liebhaber, Heinrich ist mein gegenwärtiger Liebhaber. Ich hörte ihre Kugeln aufeinanderprallen, ein heftiger, metallischer Klang, der mir in der Seele weh tat. Sie spielten wortlos, aber ich wusste, dass Heinrich verlor. Er verlor gegen Josef immer. Um Mitternacht hörte ich Heinrich fluchen und schreien. Da wusste ich, dass sich Josef verabschiedet hatte. Ich hörte, wie Heinrich seine Kugeln gegen die Mauer warf, mit aller Kraft. Das ging nicht, dagegen musste ich einschreiten, denn Kugeln gegen Mauern bedeuten Krieg. Also ging ich durch die Mauerlücke hinüber, um ihn zu beruhigen. Es gelang mir nicht, er war zu wütend. Er packte mich am Hals und bedrohte mich mit der Kugel in der anderen Hand. Er war ein wütender, rasender Krieger. Da tauchte der Stadtgärtner Ueli Zgraggen aus der Dunkelheit auf, der Heinrichs Schreie gehört hatte. Er fiel Heinrich in den erhobenen Arm. Sie kämpf‌ten zusammen, was mir lächerlich vorkam. Bis Ueli Zgraggen die Kugel zu fassen bekam und sie Heinrich auf den Schädel schlug. Worauf Heinrich zu Boden sackte. Ich hob die Kugel auf und flüchtete zurück in mein Haus. Das ist die lautere Wahrheit. Was weiter geschah im Park, weiß ich nicht. Ich lege aber großen Wert auf die Feststellung, dass mich Ueli Zgraggen gerettet hat.«

Sie schaltete das Gerät aus, schenkte Tee nach, ließ ein weißes Pulver in ihre Tasse rieseln und trank.

»Was ist das für ein Pulver?«, fragte Hunkeler, der ihr wie benommen zugehört hatte.

»Ein Psychopharmakon«, sagte sie, »gegen Depression, zur Beruhigung. Das alles strengt mich unsäglich an.«

Sie erhob sich mühsam, ging zu den Regalen rechts und ergriff eine schwarzglänzende Kugel. Sie kam zurück und legte sie auf den Tisch. Es war die Boulekugel mit den sieben eingefrästen Ringen.

»Nehmen Sie sie bitte weg aus diesem Raum«, sagte sie und sank in die Knie.

Hunkeler sprang auf und packte die Frau, um sie hochzureißen.

»Es hat keinen Sinn«, sagte sie, »es wirkt sehr schnell.«

Er legte sie auf den Boden, holte sein Handy heraus und tippte die Nummer der Ambulanz ein. Er sah, dass zwischen ihren Lippen rosa Schaum hervorquoll.

Die Fortsetzung folgt morgen. Du findest sämtliche Kapitel hier im Kanal: 20min.ch/diogenes

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(Bild: Philipp Keel / © Diogenes Verlag)

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Teilnameschluss: 27. April 2020